
Es geht auch anders.
POTENTIALe Festival.
POTENTIALe Festival.
Marilena Berends ermutigt uns regelmäßig in ihrem Podcast „Sinneswandel“ den Status-Quo zu hinterfragen. Wir haben Sie eingeladen. Zum POTENTIALe Festival 2019 und zu einem Artikel über ihren Besuch bei uns.
Feldkirch – tippe ich in die Tastatur meines Laptops ein und drücke auf Enter. Mit 33.862 Einwohnern, die zweitgrößte Stadt in Vorarlberg, sagt mir Wikipedia. Nicht schlecht! Ich bin dennoch etwas skeptisch. In diesem beschaulichen Ort soll ein dreitägiges Festival inklusive Messe stattfinden? Die POTENTIALe, ein Ort der Kunst und Kultur, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, die Frage „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ in den Fokus rückend. Weil wir alle gestalten. Jede und jeder von uns. Bewusst, wie unbewusst. Eine Veranstaltung wie diese würde man eher in einer Stadt wie Berlin vermuten. In der all die hippen Öko-Startups aus dem Boden sprießen. Aber in Feldkirch? Ich bin neugierig und möchte mir mir ein eigenes Urteil bilden, darum mache ich mich von Hamburg aus auf den Weg in die Berge.
Tag 1 der POTENTIALe: Auftakt im Pool des alten Hallenbads. Ganz richtig, im Pool. Ein Umgebauter, versteht sich. Ein erster, impliziter Hinweis darauf, dass man Dinge auch ganz anders sehen kann. Untermalt wird diese Botschaft durch, von der Decke hängende, Möbel des Berliner Kollektivs schön moralisch. FUTURZWEI betritt den Pool. Besser gesagt, zwei junge Frauen der gemeinnützigen Stiftung, die sich dem Projekt einer enkeltauglichen, offenen Gesellschaft widmet. Durch „Geschichten des Gelingens“ ist es ihr Anliegen, einen Gegenpol zum zukunftsuntauglichen business as usual zu schaffen. Gelebte Utopien statt Zukunftsverdrossenheit.
Denn davon braucht es mehr. Dem ist sich auch die POTENTIALe bewusst, weshalb sie Menschen eingeladen hat, die aufzeigen und vorleben: Es geht auch anders! Die uns ermutigen, statt den Status-Quo einfach blind anzunehmen, ihn in Frage zu stellen. Um die Ecke zu denken.
Hat uns die Wirtschaft nicht viel zu lange eingeschärft, Profitmaximierung und Hedonismus seien die einzige Motivation, uns in Bewegung zu setzen?! Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kommen wir bereits als homo oeconomicus auf die Welt, mit dem vorrangigen Ziel, Kapital anzuhäufen und unser individuelles Glück zu maximieren. Alles andere wird der Markt schon regeln. Sehen wir ja, wie gut das klappt. Natürlich spricht nichts gegen Wohlstand und gute Lebensbedingungen, aber, wollen wir nicht darüber hinaus aus eigenem Antrieb etwas Gelungenes schaffen, das einen Beitrag leistet und geschätzt wird? Bei dem wir das Gefühl haben, dass es für uns und andere von Bedeutung ist?!
Ich schlendere über die POTENTIALe Messe. Unterschiedliche AustellerInnen sind hier vertreten. Schmuck, Möbel, Design, Kunst, Mode. Vielfältig und bunt. Was jedoch alle hier verbindet, ist das „Anders denken“. Von Anfang bis Ende. Nachhaltig, sustainable, grün, könnte man auch sagen. Ich treffe auf Johanna und David. Sie haben erst kürzlich Fabulu gegründet, erzählen sie mir. Ein Modelabel, das aus lokal und biologisch angebautem Hanf und Leinen, Kleidungsstücke oder wohl eher Unikate anfertigt, die keine Ungereimtheiten mehr zulassen. Leicht ist das nicht, so ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, berichten sie, und ich glaube es ihnen aufs Wort.
![]()
Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Kaum einer will Verantwortung für die entstandenen Kosten übernehmen, die durch unseren Verschwendungs- und Konsumwahn entstehen und Natur und Menschen schädigen. Besonders deutlich wird das, wenn man sich bewusst macht, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten alleine in Deutschland auf große Teile des globalen Südens hat. Oft haben wir zwar im Hinterkopf, dass, wenn wir ein T-Shirt bei H&M und Co. kaufen, dass dies von Näherinnen in Textilfabriken unter zum Teil prekären und lebensgefährlichen Bedingungen für einen Hungerlohn angefertigt wurde. Und auch, wenn wir es wissen und bewusst den Kauf bei diesen Unternehmen boykottieren, fühlen wir uns selten mit dafür verantwortlich. Das sollen die da oben schon regeln. Nur heute, angesichts der globalen Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen, wissen wir mittlerweile dass wir nicht einfach so weitermachen können. Dass wir nicht weiter unseren Ballast einfach irgendwem anders in die Arme drücken können. Denn der Erde ist es schnurzpiepegal, wo unser Müll lagert oder wo Co2 entsteht. Fakt ist, es muss weg. Und damit auch das zukunftsuntaugliche business as usual.
Um diese Herausforderungen lösen zu können, braucht es kreative Lösungen und eine neue Denkweise. Und daher auch möglichst eine Vielzahl an KünstlerInnen in allen Lebensbereichen. Die den Status-Quo hinterfragen, und über ihr Eigeninteresse hinaus in der Lage sind, die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.
Die POTENTIALe ist in meinen Augen ein Beweis dafür, was geschieht, wenn wir uns im weitesten Sinne, angelehnt an den Erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys, als KünstlerInnen begreifen. Eine solche Definition von Kunst würde den Blick öffnen, für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die tief in die Gesellschaft und in uns selbst vordringt, und uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global? Eben weil wir mitgestalten. Weil wir uns als GestalterInnen betrachten. Dabei geht es natürlich auch um das Ermutigen jedes einzelnen Menschen, die in uns steckende Kreativität umfassend in unserem eigenen Arbeits- und Lebensbereich anzuwenden. Ganz gleich, ob wir LehrerIn, IngenieurIn oder BildhauerIn sind. Kreativität wird viel mehr verstanden als die ureigenste Besonderheit eines jeden Menschen. Damit ist jede und jeder von uns in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse weit über die Kunst im engeren Sinne hinaus einbezogen.
![]()
Insbesondere in diesen manchmal etwas dystopisch anmutenden Zeiten, denke ich, können wir uns eine großzügige Scheibe von KünstlerInnen abschneiden. Denn ähnlich, wie diese sich immer wieder neu auf Prozesse einlassen, deren Ende sie nicht kennen, und sich trotzdem mutig dieser Situation hingeben, müssen auch wir wieder lernen, dieses Vertrauen zu finden indem wir uns unseres Gestaltungspotentials bewusst werden. Und gerade deshalb braucht es mehr Begegnungsräume, wie die POTENTIALe eine ist, die Menschen ermutigen, inspirieren und bewegen.
Ich für meinen Teil, bin sehr dankbar mich auf diese Erfahrung eingelassen zu haben und werde ohne jeden Zweifel im nächsten Jahr, die POTENTIALe 2020 erneut besuchen. Denn nun weiß auch ich, dass zukunftsfähige, kreative Konzepte und Ideen oft genau dort zu finden sind, wo man sie am wenigsten erwartet – nämlich im beschaulichen Feldkirch.
Tag 1 der POTENTIALe: Auftakt im Pool des alten Hallenbads. Ganz richtig, im Pool. Ein Umgebauter, versteht sich. Ein erster, impliziter Hinweis darauf, dass man Dinge auch ganz anders sehen kann. Untermalt wird diese Botschaft durch, von der Decke hängende, Möbel des Berliner Kollektivs schön moralisch. FUTURZWEI betritt den Pool. Besser gesagt, zwei junge Frauen der gemeinnützigen Stiftung, die sich dem Projekt einer enkeltauglichen, offenen Gesellschaft widmet. Durch „Geschichten des Gelingens“ ist es ihr Anliegen, einen Gegenpol zum zukunftsuntauglichen business as usual zu schaffen. Gelebte Utopien statt Zukunftsverdrossenheit.
Denn davon braucht es mehr. Dem ist sich auch die POTENTIALe bewusst, weshalb sie Menschen eingeladen hat, die aufzeigen und vorleben: Es geht auch anders! Die uns ermutigen, statt den Status-Quo einfach blind anzunehmen, ihn in Frage zu stellen. Um die Ecke zu denken.
Hat uns die Wirtschaft nicht viel zu lange eingeschärft, Profitmaximierung und Hedonismus seien die einzige Motivation, uns in Bewegung zu setzen?! Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kommen wir bereits als homo oeconomicus auf die Welt, mit dem vorrangigen Ziel, Kapital anzuhäufen und unser individuelles Glück zu maximieren. Alles andere wird der Markt schon regeln. Sehen wir ja, wie gut das klappt. Natürlich spricht nichts gegen Wohlstand und gute Lebensbedingungen, aber, wollen wir nicht darüber hinaus aus eigenem Antrieb etwas Gelungenes schaffen, das einen Beitrag leistet und geschätzt wird? Bei dem wir das Gefühl haben, dass es für uns und andere von Bedeutung ist?!
Ich schlendere über die POTENTIALe Messe. Unterschiedliche AustellerInnen sind hier vertreten. Schmuck, Möbel, Design, Kunst, Mode. Vielfältig und bunt. Was jedoch alle hier verbindet, ist das „Anders denken“. Von Anfang bis Ende. Nachhaltig, sustainable, grün, könnte man auch sagen. Ich treffe auf Johanna und David. Sie haben erst kürzlich Fabulu gegründet, erzählen sie mir. Ein Modelabel, das aus lokal und biologisch angebautem Hanf und Leinen, Kleidungsstücke oder wohl eher Unikate anfertigt, die keine Ungereimtheiten mehr zulassen. Leicht ist das nicht, so ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, berichten sie, und ich glaube es ihnen aufs Wort.

Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Kaum einer will Verantwortung für die entstandenen Kosten übernehmen, die durch unseren Verschwendungs- und Konsumwahn entstehen und Natur und Menschen schädigen. Besonders deutlich wird das, wenn man sich bewusst macht, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten alleine in Deutschland auf große Teile des globalen Südens hat. Oft haben wir zwar im Hinterkopf, dass, wenn wir ein T-Shirt bei H&M und Co. kaufen, dass dies von Näherinnen in Textilfabriken unter zum Teil prekären und lebensgefährlichen Bedingungen für einen Hungerlohn angefertigt wurde. Und auch, wenn wir es wissen und bewusst den Kauf bei diesen Unternehmen boykottieren, fühlen wir uns selten mit dafür verantwortlich. Das sollen die da oben schon regeln. Nur heute, angesichts der globalen Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen, wissen wir mittlerweile dass wir nicht einfach so weitermachen können. Dass wir nicht weiter unseren Ballast einfach irgendwem anders in die Arme drücken können. Denn der Erde ist es schnurzpiepegal, wo unser Müll lagert oder wo Co2 entsteht. Fakt ist, es muss weg. Und damit auch das zukunftsuntaugliche business as usual.
Um diese Herausforderungen lösen zu können, braucht es kreative Lösungen und eine neue Denkweise. Und daher auch möglichst eine Vielzahl an KünstlerInnen in allen Lebensbereichen. Die den Status-Quo hinterfragen, und über ihr Eigeninteresse hinaus in der Lage sind, die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.
Die POTENTIALe ist in meinen Augen ein Beweis dafür, was geschieht, wenn wir uns im weitesten Sinne, angelehnt an den Erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys, als KünstlerInnen begreifen. Eine solche Definition von Kunst würde den Blick öffnen, für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die tief in die Gesellschaft und in uns selbst vordringt, und uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global? Eben weil wir mitgestalten. Weil wir uns als GestalterInnen betrachten. Dabei geht es natürlich auch um das Ermutigen jedes einzelnen Menschen, die in uns steckende Kreativität umfassend in unserem eigenen Arbeits- und Lebensbereich anzuwenden. Ganz gleich, ob wir LehrerIn, IngenieurIn oder BildhauerIn sind. Kreativität wird viel mehr verstanden als die ureigenste Besonderheit eines jeden Menschen. Damit ist jede und jeder von uns in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse weit über die Kunst im engeren Sinne hinaus einbezogen.

Insbesondere in diesen manchmal etwas dystopisch anmutenden Zeiten, denke ich, können wir uns eine großzügige Scheibe von KünstlerInnen abschneiden. Denn ähnlich, wie diese sich immer wieder neu auf Prozesse einlassen, deren Ende sie nicht kennen, und sich trotzdem mutig dieser Situation hingeben, müssen auch wir wieder lernen, dieses Vertrauen zu finden indem wir uns unseres Gestaltungspotentials bewusst werden. Und gerade deshalb braucht es mehr Begegnungsräume, wie die POTENTIALe eine ist, die Menschen ermutigen, inspirieren und bewegen.
Ich für meinen Teil, bin sehr dankbar mich auf diese Erfahrung eingelassen zu haben und werde ohne jeden Zweifel im nächsten Jahr, die POTENTIALe 2020 erneut besuchen. Denn nun weiß auch ich, dass zukunftsfähige, kreative Konzepte und Ideen oft genau dort zu finden sind, wo man sie am wenigsten erwartet – nämlich im beschaulichen Feldkirch.
sinneswandel.art
Text: Marilena Berends
Fotos: Angela Lamprecht, oben und unten;
Magdalena Türtscher, Mitte
Text: Marilena Berends
Fotos: Angela Lamprecht, oben und unten;
Magdalena Türtscher, Mitte